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Brüssel/Rom/Brasília, 18. Dezember 2025 (aiz.info)

Mercosur - EU meldet Kompromiss bei Agrarimporten

Untersuchung, wenn die Einfuhrmengen um mehr als acht Prozent pro Jahr steigen - Meloni: Anliegen von Landwirten müssen berücksichtigt werden - Frankreich hält an Widerstand fest

Die EU hat im Streit über das Mercosur-Handelsabkommen einen Kompromiss bei den Kontrollen von Agrarimporten erzielt. Die Einigung der Unterhändler des Europaparlaments und der EU-Staaten sieht vor, dass eine Untersuchung eingeleitet wird, wenn die Einfuhrmengen um mehr als acht Prozent pro Jahr steigen, wie die dänische EU-Ratspräsidentschaft am Mittwochabend laut APA mitteilte.

Damit liegt der Wert zwischen der Forderung des Parlaments von fünf Prozent und dem Vorschlag der EU-Kommission von zehn Prozent. Zudem verständigten sie sich auf eine Erklärung, die EU-Maßnahmen zur Kontrolle auch in den Mercosur-Ländern, zur Unterstützung der Landwirte und zur Einhaltung von Produktionsstandards bei Pestiziden und Tiergesundheit festlegt.

Mit dem Kompromiss soll der Widerstand von Ländern wie Frankreich und Italien gegen das geplante Handelsabkommen mit dem südamerikanischen Staatenbund abgebaut werden. Beide Länder hatten Bedenken geäußert und fordern zusätzliche Maßnahmen zum Schutz ihrer Landwirte. Die EU und Mercosur hatten die Verhandlungen über das Abkommen nach rund 25 Jahren im vergangenen Dezember abgeschlossen.

Zuvor hatte am Mittwoch der brasilianische Präsident Luiz Inacio Lula da Silva den Druck erhöht und damit gedroht, das Abkommen während seiner Amtszeit nicht mehr zu unterzeichnen, sollte es jetzt scheitern. Am Donnerstag kommen die EU-Staats- und Regierungschefs zu einem Gipfel in Brüssel zusammen.

Widerstand aus Italien und Frankreich

Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni hatte sich zuvor gegen einen raschen Abschluss des Handelsabkommens der EU mit dem südamerikanischen Staatenbund Mercosur gestellt und damit die Hoffnung auf eine baldige Unterzeichnung zunichtegemacht. Widerstand gibt es auch aus Frankreich, während Deutschland auf einen Abschluss drängt.

Ursprünglich war erwartet worden, dass EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen Ende dieser Woche nach Brasilien fliegt, um das Abkommen zu unterzeichnen. Die Einigung war vor einem Jahr nach einem Vierteljahrhundert Verhandlungen mit dem Block aus Argentinien, Bolivien, Brasilien, Paraguay und Uruguay erzielt worden.

Sollte das seit 1999 verhandelte Freihandelsabkommen nicht rechtzeitig vor der geplanten Unterzeichnung am Samstag von den EU-Ländern gebilligt werden, werde Brasilien es nicht mehr unterstützen, sagte der linke Staatschef der größten Volkswirtschaft Lateinamerikas. "Ich habe sie bereits gewarnt: Wenn wir es jetzt nicht tun, wird Brasilien keinen Deal mehr machen, solange ich Präsident bin", sagte Lula, wie die Zeitung "Folha de São Paulo" berichtete. Brasilien habe 26 Jahre auf das Abkommen gewartet.

Meloni: Aktuell wäre Unterzeichnung "verfrüht"

"Die italienische Regierung hat immer klargemacht, dass das Abkommen für alle Sektoren vorteilhaft sein muss und dass es daher notwendig ist, insbesondere die Anliegen unserer Landwirte zu berücksichtigen", sagte Meloni vor dem Parlament in Rom. Es wäre "verfrüht", das Abkommen zu unterzeichnen, bevor ein mit der EU-Kommission zu vereinbarendes Maßnahmenpaket zum Schutz der Landwirte endgültig feststehe. Zudem benötige das Abkommen angemessene Garantien der Gegenseitigkeit für den Agrarsektor. "Wir müssen warten, bis diese Maßnahmen abgeschlossen sind, und sie gleichzeitig unseren Landwirten erklären und mit ihnen diskutieren", fügte sie hinzu.

Mit ihrer Haltung stellt sich Meloni an die Seite Frankreichs, das ebenfalls mehr Beratungsbedarf sieht und einen stärkeren Schutz seiner Landwirtschaft fordert. Präsident Emmanuel Macron kündigte einem Regierungssprecher zufolge am Mittwoch an, sich jedem Versuch der EU entschieden zu widersetzen, das Abkommen durchzudrücken. Auch die heimische Agrarspitze sowie Polen und Ungarn lehnen das Abkommen ab. Deutschland, Spanien und die nordischen Länder befürworten es hingegen. Sie versprechen sich davon eine Stärkung der von US-Zöllen betroffenen Exporte, eine geringere Abhängigkeit von China und den Zugang zu Rohstoffen.

Bauernproteste in Frankreich gegen Mercosur und Keulungen

In Frankreich protestieren unterdessen Bauern gegen Mercosur und noch mehr gegen den Umgang der Behörden mit einer Rinderseuche. Im Südwesten des Landes blockierten Landwirte Autobahnabschnitte, wie der Betreiber Vinci Autoroutes mitteilte. Betroffen sind unter anderem Autobahnen zwischen Südfrankreich und Spanien. Landwirte fuhren in Traktorkolonnen auf die Autobahnen, stapelten dort Paletten und Reifen und setzten sie in Brand.

Die Bauern protestieren vor allem dagegen, dass nach vermehrten Ausbrüchen der Rinderkrankheit Lumpy Skin Disease (LSD) ganze Tierbestände getötet werden. Wie Landwirtschaftsministerin Annie Genevard ankündigte, werde die Impfung von Rindern gegen die Krankheit in den kommenden Tagen beschleunigt. Frankreich habe 400.000 zusätzliche Impfdosen in den Niederlanden beschafft, sodass 900.000 Dosen zur Verfügung ständen. Mit einem Bestand von rund 19 Millionen Tieren ist Frankreich der größte Rindfleischproduzent Europas.

Sollte das Mercosur-Abkommen Ende der Woche unterzeichnet werden, würde dies natürlich zu viel stärkeren Protesten der Landwirte führen, sagte der Präsident der Dachorganisation der französischen Agrarverbände (FNSEA), Arnaud Rousseau, dem Sender France Inter.

Deutschland will Unterzeichnung bis Jahresende

In Berlin sagte Regierungssprecher Stefan Kornelius, Bundeskanzler Friedrich Merz werde weiter daran arbeiten, die Zweifler zu überzeugen. Ziel Deutschlands bleibe es, das Abkommen bis Jahresende zu unterzeichnen. Dies wäre auch ein Signal für die Handlungsfähigkeit der Europäischen Union. Am Donnerstag kommen die EU-Staats- und Regierungschefs zu einem Gipfel in Brüssel zusammen. Kornelius sagte, Merz werde die Partner dazu drängen, dem Abkommen zuzustimmen. "Die Woche ist noch lang."
Mit dem Freihandelsabkommen würde die größte Handelszone der Welt mit mehr als 720 Millionen Menschen entstehen. Sie würde fast 20 Prozent der Weltwirtschaft und mehr als 31 Prozent der globalen Warenexporte abdecken.

Brunner lobt Abkommen

EU-Kommissar Magnus Brunner schreibt in einer Stellungnahme, Mercosur eröffne "gerade für die Industrie exportorientierter Länder wie Österreich eine enorme Chance. Es ist unsere Verantwortung in Europa, als stabiler und verlässlicher Handelspartner aufzutreten und uns wirtschaftlich breiter aufzustellen." Für die Landwirtschaft gebe es "klare Sicherheitsmechanismen, die sofort greifen können, sollte es zu Marktverwerfungen kommen." Die EU-Kommission gehe von einer Verdoppelung der EU-Exporte innerhalb von sieben bis zehn Jahren aus und von Einsparungen in Höhe von rund vier Milliarden Euro an Zöllen. (Schluss)
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